Einleitung

Wenn Behörden intern versagen – was Betroffene über die Dienstaufsicht wissen sollten

Wer sich durch das Verhalten einzelner Beamter oder Amtsträger verletzt oder unfair behandelt fühlt, hat die Möglichkeit, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen. Dieser Weg dient nicht der rechtlichen Überprüfung eines Bescheids, sondern der Kontrolle dienstlichen Verhaltens.

Ob abweisende Polizisten, überhebliche Sachbearbeiter oder verfahrensuntreue Richter – viele Bürgerinnen und Bürger erleben täglich Verhaltensweisen, die dem öffentlichen Amt nicht gerecht werden. Doch nur wenige wissen, wie und wo man sich effektiv beschweren kann – und welche Grenzen und Möglichkeiten die Dienstaufsicht überhaupt hat.

Diese Themenseite erläutert, wann eine Dienstaufsichtsbeschwerde sinnvoll ist, wie sie formuliert werden sollte und gegen wen sie sich richten kann. Dabei unterscheiden wir auch nach Behördenarten – von der Polizei bis zur Justiz.

Rechtliche Grundlagen

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein nichtförmlicher Rechtsbehelf, der sich auf das Verhalten oder Unterlassen eines Beamten, Angestellten im öffentlichen Dienst oder Amtsträgers bezieht. Ziel ist es, dienstliche Verfehlungen oder unangemessenes Verhalten zu rügen – ohne jedoch unmittelbar auf den Inhalt einer behördlichen Entscheidung einzuwirken.

Sie ist gesetzlich nicht in einer eigenen Vorschrift geregelt, ergibt sich jedoch aus dem allgemeinen beamtenrechtlichen und verwaltungsorganisatorischen Rahmen. Die rechtlichen Grundlagen sind insbesondere in folgenden Normen und Prinzipien zu finden:

  • § 839 BGB – Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen (zivilrechtlicher Kontext, subsidiär relevant)
  • Art. 17 GGRecht auf Petition („Jedermann hat das Recht, sich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen […] zu wenden.“)
  • §§ 3, 35 BeamtStG – Verhalten und Dienstpflichten von Beamten („Wohlverhaltenspflicht“, „pflichtgemäßes Handeln“)
  • § 56 BBG – Dienstaufsicht über Bundesbeamte
  • § 146 GVG – Unabhängigkeit richterlicher Entscheidungen (→ Dienstaufsicht nur bezogen auf Verhalten, nicht Urteilsinhalt)

Die Dienstaufsichtsbeschwerde unterscheidet sich deutlich von einer Fachaufsichtsbeschwerde, bei der es um inhaltliche Fehler in Bescheiden geht. Während Letztere auf eine rechtliche Korrektur zielt, dient die Dienstaufsichtsbeschwerde eher der disziplinarischen oder organisatorischen Klärung.

„Dienstaufsichtsbeschwerden bieten ein wichtiges Korrektiv bei persönlichen Pflichtverstößen von Amtswaltern, ersetzen aber keine fachgerichtliche Kontrolle.“

– OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2021 (15 E 720/21)

Zulässigkeit und Voraussetzungen

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist grundsätzlich für jede Person zulässig, die ein dienstliches Fehlverhalten eines Amtsträgers oder einer Behörde rügen möchte. Sie kann sowohl von direkt Betroffenen als auch von Dritten gestellt werden – ein berechtigtes Interesse muss nicht nachgewiesen werden.

Folgende Voraussetzungen sollten jedoch gegeben sein, damit eine Dienstaufsichtsbeschwerde als sachgerecht und überprüfbar gilt:

  • Konkreter Anlass: Es muss ein beobachtbares oder erlebbares Verhalten vorliegen, das im dienstlichen Zusammenhang steht (z. B. unhöfliches Auftreten, Nichterreichbarkeit, unangemessene Wartezeiten, unterlassene Rückmeldungen).
  • Benennung der betroffenen Person: Die Beschwerde sollte möglichst klar angeben, gegen wen sie sich richtet (Name, Funktion, ggf. Aktenzeichen).
  • Schilderung des Sachverhalts: Der geschilderte Vorfall sollte sachlich, nachvollziehbar und chronologisch dargestellt werden.
  • Dokumentation von Belegen (sofern vorhanden): E-Mails, Schreiben oder Gesprächsvermerke stärken die Nachvollziehbarkeit.

Die Form ist grundsätzlich formlos, eine schriftliche Einreichung wird jedoch empfohlen. Auch eine elektronische Einreichung per E-Mail ist in den meisten Behörden zulässig.

Wichtig: Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist kein Rechtsmittel im prozessualen Sinne – es entsteht kein Anspruch auf einen konkreten Ausgang. Die Behörde ist jedoch verpflichtet, die Beschwerde zu prüfen und – wenn auch formlos – zu bescheiden.

Form und Frist

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist grundsätzlich formlos möglich, sollte jedoch aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Beweissicherung schriftlich eingereicht werden. Dies kann auf dem Postweg, per E-Mail oder – sofern vorhanden – über ein Online-Kontaktformular der jeweiligen Behörde erfolgen.

Empfohlene Einreichungsformen:

  • Per Post – idealerweise per Einschreiben mit Rückschein
  • Per E-Mail – mit qualifizierter Signatur oder mit Lesebestätigung
  • Über Online-Kontaktformulare – soweit von der Behörde angeboten

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde unterliegt keiner gesetzlichen Frist. Dennoch ist es ratsam, zeitnah nach dem Vorfall zu handeln. Ein längerer Zeitraum zwischen Vorfall und Beschwerde kann die Aufklärung erschweren oder als Hinweis auf mangelndes Beschwerdeinteresse gewertet werden.

Hinweis der Redaktion:
Um eine sachliche und effektive Bearbeitung zu ermöglichen, sollte die Beschwerde klar strukturiert und frei von unsachlicher oder beleidigender Sprache formuliert sein. Eine schriftliche Einreichung per Einschreiben mit Rückschein bietet den besten Nachweis über den fristgerechten Zugang bei der Behörde.

Instanzenspezifische Unterschiede

Die Bearbeitung und Wirksamkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde hängen maßgeblich davon ab, gegen welche Behörde oder Institution sie sich richtet. Es bestehen deutliche Unterschiede in der Struktur, der Verantwortlichkeit sowie der praktischen Handhabung.

1. Polizei
Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Polizeibeamte richten sich an den jeweiligen Polizeipräsidenten bzw. an das Innenministerium des Landes. In der Praxis erfolgt jedoch selten eine disziplinarrechtlich relevante Prüfung. Oft wird intern auf „dienstliches Ermessen“ verwiesen. Die Hürden für Konsequenzen sind hoch.

2. Justiz (Richter, Staatsanwälte)
Beschwerden gegen Richter oder Staatsanwälte sind besonders komplex. Die Dienstaufsicht über Richter liegt beim Präsidenten des jeweiligen Gerichts, unterliegt aber der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 GG. Das bedeutet: Dienstaufsichtsbeschwerden können nur das Verhalten außerhalb der Urteilsfindung betreffen (z. B. grobes Verhalten, Verzögerung, Befangenheit außerhalb der Verhandlung). Die Erfolgschancen sind erfahrungsgemäß gering.

3. Jobcenter / Sozialbehörden
Hier ist die nächsthöhere Verwaltungsinstanz zuständig, häufig die Geschäftsführung oder die zuständige Aufsichtsbehörde (z. B. Bundesagentur für Arbeit). Die Fristen zur Reaktion variieren, Beschwerden sollten jedoch spätestens nach 6 Monaten geprüft worden sein, da sonst eine sogenannte Untätigkeit nach § 88 SGG vorliegt.

4. Schulen und Bildungseinrichtungen
In der Regel ist die Schulleitung erste Anlaufstelle. Danach folgt die Schulaufsichtsbehörde bzw. das Kultusministerium. Hier gelten länderspezifische Regelungen. Beschwerden sollten sachlich und unter Angabe konkreter Vorfälle eingereicht werden.

5. Kommunale Verwaltung
In der Kommunalverwaltung (z. B. Bürgerämter, Ordnungsamt) ist in der Regel der Bürgermeister bzw. die Fachbereichsleitung zuständig. Beschwerden können auch an die Kommunalaufsicht beim Kreis oder der Bezirksregierung gerichtet werden.

6. Medizinische Einrichtungen (z. B. psychiatrische Kliniken)
Hier ist zunächst die Klinikleitung oder Trägerorganisation zuständig. Bei öffentlich getragenen Einrichtungen kann auch das zuständige Gesundheitsamt oder die übergeordnete Behörde (z. B. Landesgesundheitsministerium) in Anspruch genommen werden.

Die Erfolgschancen einer Dienstaufsichtsbeschwerde hängen maßgeblich davon ab, ob ein klarer Verstoß gegen Dienstpflichten nachgewiesen werden kann. Reine Unzufriedenheit mit Entscheidungen oder dem Tonfall reicht meist nicht aus.

Typische Praxis / Missstände

Obwohl die Dienstaufsichtsbeschwerde ein zentrales Mittel der Kontrolle über das Verhalten von Amtsträgern sein soll, zeigt die Praxis häufig ein anderes Bild. Viele Beschwerden verlaufen im Sande oder werden mit formelhaften Ablehnungsschreiben beantwortet. Dies betrifft insbesondere Fälle innerhalb der Justiz oder Polizei, in denen sich Behörden auf interne Zuständigkeiten oder richterliche Unabhängigkeit berufen.

Auch die mangelnde Transparenz ist ein Problem: Oft erhalten Beschwerdeführer keine oder nur spärliche Rückmeldungen, was eine Überprüfung oder gar Korrektur des beanstandeten Verhaltens angeht. Dabei fehlt es weniger an gesetzlichen Grundlagen – sondern an der Bereitschaft, sie konsequent anzuwenden.

Süddeutsche Zeitung vom 12.03.2021:
„Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist in vielen Fällen ein stumpfes Schwert – Behörden prüfen sich selbst, und Konsequenzen bleiben oft aus.“

Hinzu kommt, dass Betroffene oft nicht wissen, an wen sie sich konkret wenden können oder wie eine Beschwerde formal korrekt zu verfassen ist. Fehlende Beratung, komplizierte Zuständigkeitsregeln und die Sorge vor Nachteilen halten viele davon ab, überhaupt eine Beschwerde einzureichen.

Selbst bei offensichtlichem Fehlverhalten kann die Beschwerde ins Leere laufen – etwa, wenn sie innerhalb der eigenen Behörde „intern geklärt“ wird, ohne dass objektive Aufklärung oder externe Kontrolle erfolgt.

Was kann ich tun?

Wenn Sie den Eindruck haben, dass sich eine Amtsperson – sei es bei der Polizei, Justiz, Verwaltung oder anderen Behörden – unangemessen verhalten hat, können Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde stellen. Wichtig ist jedoch, dass Sie strukturiert vorgehen und bestimmte Punkte beachten, damit Ihre Beschwerde nicht unbeachtet bleibt.

1. Dokumentieren Sie den Vorfall genau:

  • Datum, Uhrzeit, Ort und beteiligte Personen
  • Was ist genau passiert? Welche Handlung beanstanden Sie?
  • Gibt es Zeugen oder Beweismittel (z. B. Schriftstücke, E-Mails)?

2. Zuständige Stelle herausfinden:

  • Bei Landesbehörden meist die nächsthöhere Dienststelle
  • Bei Richtern oder Staatsanwälten: in der Regel das jeweilige Justizministerium
  • Bei Polizei: das Innenministerium oder die Polizeipräsidien

3. Formulieren Sie Ihre Beschwerde sachlich und präzise:

  • Vermeiden Sie persönliche Angriffe oder polemische Aussagen
  • Beschränken Sie sich auf überprüfbare Tatsachen
  • Fordern Sie eine Prüfung und ggf. dienstrechtliche Konsequenzen

4. Beschwerde einreichen:

  • Postalisch mit Unterschrift (ggf. per Einschreiben mit Rückschein)
  • Oder per E-Mail, sofern von der Behörde vorgesehen
  • Optional: zusätzlich zur Beschwerde eine Kopie an die übergeordnete Stelle senden

5. Reaktion abwarten und ggf. nachfassen:

  • Wenn innerhalb von 4 bis 6 Wochen keine Reaktion erfolgt: nachhaken
  • Fordern Sie eine schriftliche Bestätigung oder Stellungnahme

6. Wenn die Beschwerde unbeachtet bleibt oder formal zurückgewiesen wird:

  • In besonders schweren Fällen kann der Weg zu parlamentarischen Gremien (z. B. Petitionsausschuss) oder zur Presse hilfreich sein
  • Sie können auch unsere Redaktion kontaktieren und den Fall zur Prüfung einreichen

Grundsätzlich gilt: Dienstaufsichtsbeschwerden sind nicht an besondere Formvorgaben gebunden. Dennoch erhöht eine strukturierte und sachliche Darstellung die Erfolgsaussichten erheblich.

Hinweisbox / Musterschreiben / Links

Hinweis der Redaktion: Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein formloses Rechtsmittel, das kein Anwaltszwang erfordert. Dennoch ist eine sachliche und strukturierte Darstellung entscheidend für die Erfolgsaussichten.

Wir haben für Sie ein Muster für eine Dienstaufsichtsbeschwerde vorbereitet, das Sie individuell anpassen können:

Bitte beachten Sie: Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ersetzt keine Fachaufsichtsbeschwerde oder rechtlichen Widerspruch. Bei schweren Vorwürfen kann zusätzlich eine Anzeige oder Fachaufsicht in Betracht kommen.

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